Nadja Kohlwey aus dem Team Fachkräftesicherung der Handwerkskammer Südwestfalen (r.) im Gespräch mit Nicola und Andreas Kneider. Die Expertin lobt den Einsatz des Handwerksbetriebs.
InklusionChancenreiches Handwerk
Das Handwerk ist nicht nur ein Ort von speziellen Fertigkeiten, sondern auch ein Raum der Möglichkeiten und Chancen. In diesem Sinne wird beim Karosserie und Lackiercenter Kneider in Marsberg ein besonderes Konzept der Inklusion gelebt.
ADHS, Lernschwäche, Diabetes – Nicola und Andreas Kneider öffnen die Türen ihres Familienbetriebs für junge Erwachsene, die im Leben mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen haben und bieten eine echte Chance, ihre beruflichen Träume zu verwirklichen. Mit individueller Unterstützung und Anpassung beweist das ganze Team, dass im Handwerk jeder etwas bewegen kann.
Engagement und Lernwillen werden geschätzt
"Wir versuchen, alles möglich zu machen", betont Nicola Kneider, während sie über die besondere Philosophie ihres Betriebs spricht. Wie das aussieht? Bei Kneiders gilt das Motto: Jeder kann etwas beitragen! Weder ein Realschulabschluss noch perfekte Gesundheit sind Voraussetzungen für eine Ausbildung. Vielmehr werden Engagement und Lernwillen geschätzt. Somit erhalten auch junge Menschen mit besonderem Förderbedarf oder gesundheitlichen Einschränkungen die Möglichkeit, ihre beruflichen Träume zu verwirklichen. Ein vorheriges Praktikum wird jedoch vorausgesetzt.
Ein Auszubildender im Betrieb zeigt beispielsweise eine Lernschwäche aufgrund von ADHS und erhält spezielle außerschulische Unterstützung, um den Anforderungen gerecht zu werden. Denn die sind, so stellt es Andreas Kneider heraus, am Ende des Tages schließlich für alle gleich.
Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1979 durch Andreas Kneiders Vater Karl-Heinz als reine Lackiererei. Der Sohn übernahm den Betrieb 1997 und erweiterte ihn sukzessive um die Karosseriesparte. Heute arbeiten beim Marsberger Karosserie und Lackiercenter elf engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – drei Meister und jeweils vier Gesellen und Auszubildende. Für den Fuhrpark des LWL-Wohnverbunds Marsberg sowie der Firma Tuschen Transporte aus Marsberg-Westheim haben sie bisher schon Rollstuhlrampen und elektrische Trittstufen für den erleichterten Einstieg in die Fahrzeuge erstellt.
Unterstützung der Handwerkskammer und der Berufsschule
"Manchen, besonders solchen mit Handicap, fällt die Ausbildung einfach schwerer", erklärt Andreas Kneider. Daher betont er die Notwendigkeit individueller Anpassungen wie längere Prüfungs- oder auch verlängerte Ausbildungszeiten, um jedem die bestmögliche Chance zu geben. Mit der Handwerkskammer Südwestfalen habe man hier einen Ansprechpartner an der Seite, der auch bei kniffligen Fragestellungen ein für alle bestmögliches Ergebnis erzielt. So konnte die Ausbildungszeit bei einem Auszubildenden um ein weiteres Jahr, auf insgesamt vier Jahre verlängert werden. Dies sei ein echter Gewinn für den Auszubildenden, dem auf diese Weise eine Menge Druck genommen wurde. "Ohne die Unterstützung der Handwerkskammer und der Berufsschule wäre dies nicht möglich gewesen", so Kneider.
Eine offene Kommunikation über individuelle Einschränkungen ist von enormer Bedeutung. Andreas Kneider ermutigt daher junge Erwachsene mit ADHS, Lernschwächen, Legasthenie und anderen für außenstehende unsichtbaren Handicaps, ihre Bedürfnisse offen zu kommunizieren. Denn eine angemessene Unterstützung seitens des Ausbildungsbetriebs ist nur möglich, wenn dieser über die individuellen Herausforderungen seiner Mitarbeiter informiert ist.
Die Inklusionsberaterin der Handwerkskammer Südwestfalen, Nadja Kohlwey, lobt den Einsatz der Kneiders und betont die Bedeutung gezielter Unterstützung für Unternehmen in Bezug auf inklusive Praktiken im Unternehmen. Sie verweist auf die individuellen Beratungsleistungen der Handwerkskammer, da die Möglichkeiten für Betriebe von verschiedenen Faktoren abhängig sind. In einigen Fällen können Mitarbeiter beispielsweise freigestellt werden, um ihre Kollegen mit Handicap zu unterstützen.
Die Kneiders sind stolz darauf, dass alle Auszubildenden mit Handicap bisher ihre Gesellenprüfung erfolgreich bestanden haben und anschließend auch weiter im Betrieb arbeiten konnten. Die Bereitstellung von zusätzlicher Zeit und Unterstützung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Ihr Beispiel demonstriert, dass echte Inklusion im Handwerk möglich ist, wenn der Wille zur Unterstützung vorhanden ist.