Präsident Jochen Renfordt (l.) und HwK-Hauptgeschäftsführer Meinolf Niemand
HwK Südwestfalen

"Viele Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand"

Das Jahr 2021 ist erst wenige Wochen alt und bislang fühlt es sich genauso an wie sein Vorgänger: Corona, Pandemie, Lockdown, Impfen. Es sind dieselben Topthemen wie seit beinahe zwölf Monaten.

Im Doppelinterview kommen Kammerpräsident Jochen Renfordt und Hauptgeschäftsführer Meinolf Niemand mit Aussagen zu den Auswirkungen der Pandemie und den Handwerksperspektiven zu Wort.

 

Die Belastungen durch den Lockdown treffen das Handwerk hart. Wie stellt sich die Situation jetzt am Beginn des Jahres dar?

Renfordt: Es gibt kein einheitliches Bild. Einige Branchen, beispielsweise aus dem Baubereich, stehen noch gut da – sie erwarten den Einbruch zeitversetzt –, andere kämpfen, denken Sie nur an die Friseurbetriebe oder die Kosmetik- und Nagelstudios, mit dem Rücken zur Wand um die nackte Existenz und haben Angst, ins Bergfreie zu fallen. Das macht uns große Sorgen. Wir haben aber auch die Zuversicht, durch die Impfung die Wende zu schaffen.

Niemand: Genau diese Bandbreite der Gewerke macht es aber auch oft so schwierig, gegenüber der Politik zu argumentieren und die für alle passenden Lösungen zu finden. Es gibt eben nicht „das (!) Handwerk“. Da ist dann noch immer Aufklärungsarbeit gefordert. Wir dürfen bei unserer Lobbyarbeit einzelne Berufe nicht aus den Augen verlieren. Wir können jedoch zum Glück feststellen, dass die Handwerksorganisation viel zugunsten der Handwerksbetriebe erreicht hat. Das war oft harte Arbeit.

 

Wie wollen Sie den Spagat zwischen dem einzelnen Beruf und der Gesamtheit Handwerk denn weiter leisten?

Renfordt: Aufklärung ist notwendig. Herr Niemand hat es gerade gesagt. Wir müssen unsere Argumente aber auch ‚wasserdicht‘ machen. Gemeinsam mit den Kreishandwerkerschaften haben wir deshalb eine Umfrage an den Start gebracht und alle Betriebe, deren E-Mailadresse uns bekannt ist, um Teilnahme gebeten. Wir brauchen einfach noch mehr Informationen darüber, wie es den Unternehmen konkret geht, wo ihnen der Schuh drückt und wo weitere Hilfsmaßnahmen nötig sind.



Bislang hatte die Handwerkskammer immer dazu aufgerufen, sich an den regelmäßigen Umfragen des ZDH zum Thema Corona zu beteiligen …

Niemand: … und wir danken allen, die sich beteiligt haben. Wir wollten im vergangenen Jahr die Betriebe jedoch nicht noch durch zusätzliche Umfragen belasten und haben uns deshalb zurückgehalten. Mit unserer aktuellen Erhebung sprechen wir jetzt ganz direkt ‚unsere‘ Betriebe an. Wir setzen darauf, dass man uns auch bei der Umfrage als direkten Ansprechpartner in dieser schwierigen Situation sieht und uns mit Informationen ‚aus dem Leben‘ versorgt.

 

Wie wollen Sie mit den Informationen umgehen?

Niemand: Wir haben schon früh im vergangenen Jahr unser Beratungsangebot personell aufgestockt. Dadurch konnten wir z. B. die Umsetzung des ersten Hilfspakets beratend für die Betriebe begleiten. Das war die erste und wichtigste Hilfe, die wir unmittelbar leisten konnten. Doch dabei haben wir es nicht belassen und wollen unser Gewicht, das Gewicht unserer Mitgliedsbetriebe, noch stärker in die Waagschale werfen. Mit anderen Worten: Wir geben weiter, was uns die Betriebe mitteilen und machen Druck!

Renfordt: Parallel zum Dienstleistungsangebot der Handwerkskammer waren wir immer wieder indirekt über den Westdeutschen Handwerkskammertag (WHKT) oder direkt als Gesprächspartner mit der Landesregierung im Austausch. Die Anzahl der Videokonferenzen, die wir bislang geführt haben ist unermesslich. Das wird auch weiter so sein. Da sind wir uns sicher.

 

Auch der Ausbildungsbereich ist von der Pandemie stark betroffen. Wie hat die Handwerkskammer dort auf die Pandemie reagiert?

Niemand: Wir haben sehr schnell die Kurse im bbz Arnsberg auf Onlineunterricht umgestellt. Bei diesem Kraftakt haben sich die Dozenten grandios engagiert. Einige Angebote gibt es inzwischen auch wieder vor Ort – mit verringerter Teilnehmerzahl und einem sehr strengen Hygienekonzept. Bei der Nachwuchswerbung setzen wir auf die Onlineberatung. Die Nachfrage ist noch steigerungsfähig, das gebe ich offen zu. Es zeigt sich aber auch, wie wichtig Präsenzveranstaltungen und Praktika sind.