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HwK Südwestfalen

Zweiter LandessiegerDer etwas andere Weg zum zweiten Landessieger

Mirza Amini ist 22 Jahre alt und arbeitet als Karosserie- und Fahr­zeugbauer bei der Firma Ewers in Meschede. Auf seine Gesellen­prüfung folgte eine weitere Glanzleistung: Er wurde zweiter Landessieger im praktischen Leistungswettbewerb des Handwerks. Ein Erfolg, zu dem auch der Geschäftsführer der Handwerkskammer Südwestfalen, Fabian Bräutigam, und HwK-Willkommenslotse Udo Linnenbrink persönlich gratulierten. Denn Mirzas Weg war alles andere als leicht. Erst 2015 kam er als Geflüchteter nach Deutschland.



Von Afghanistan in den Kammerbezirk

Mirzas Biographie lief nicht geradlinig. Als Minderjähriger endete seine Flucht aus dem afghanischen Parwan in Meschede. Nach Stationen in einem Camp in Bayern und einer Flüchtlingsunterkunft im HSK wurde er von einer Pflegefamilie aus Meschede aufgenommen. Während er am Berufskol­leg in der internationalen Förderklasse sei­nen Schulabschluss machte, absolvierte der ambitionierte junge Mann bereits Praktika bei Ewers Karosserie- und Fahrzeugbau.

"Ich wollte schon immer irgendwas mit Autos machen. Karosserie- und Fahrzeug­bauer ist mein Traumjob", erklärt Mirza seine Passion zum Beruf. Umso erfreuli­cher, dass er von der Firma Ewers einen Ausbildungsvertrag erhielt. Los ging’s im August 2017 – zunächst in Form eines Einstiegsqualifizierungsjahrs (EQJ). "Es war mir klar, wenn ich fleißig bin, darf ich nächstes Jahr in das zweite Lehrjahr. Wenn nicht, muss ich die gesamte Ausbildung vie­reinhalb Jahre machen", erklärt Mirza sei­nen großen Ehrgeiz.

Auch wenn es schwierig war, konnte er seine Ausbildung nach dreieinhalb Jah­ren abschließen. Daraufhin wurde Mirza übernommen: "Das war ein richtig gutes Gefühl." Dank seines Gehalts als ausgebil­deter Karosserie- und Fahrzeugbauer kann er sich heute eine eigene Wohnung leisten.



Kleine Feierstunde für große Leistung

Um seine hervorragenden Leistungen wäh­rend seiner Ausbildung zu honorieren, wa­ren nun auch Fabian Bräutigam und Udo Linnenbrink in den Betrieb eingeladen. Für die kleine Feierstunde nahmen sich selbst­verständlich auch die beiden Geschäfts­führer Meinolf und Christoph Ewers sowie Rita Stehling vom Marketing Zeit. Ebenfalls mit dabei waren Ewers-Ausbildungsleiter Stefan Morfeld und Betriebsratsvorsitzen­der Tobias Zähndsch. Bräutigam lobte die hervorragende Leistung Mirzas trotz der schwierigen Ausgangslage: "Das ist wirk­lich eine unglaubliche Leistung. Wir kön­nen uns das alle gar nicht vorstellen, aus einem fremden Land zu kommen. Kein Wort Deutsch zu sprechen. Keine Eltern mit dabei zu haben. Wie kriegt man das in so kurzer Zeit hin, eine so gute Leistung ab­zuliefern?" Dass Mirza zweiter Landessie­ger wird, damit hat er selber nicht gerech­net: "Mein Ziel war, dass ich die Prüfung schaffe. Bei der praktischen Prüfung hatte ich die Hoffnung, Kammerbester zu wer­den. Aber mit dem Landessieger habe ich gar nicht gerechnet."



"Ich habe richtig Glück gehabt"

Meinolf Ewers vertraute bei Mirzas Ein­stellung auf frühere gute Erfahrungen mit einem anderen Geflüchteten sowie auf sein positives Bauchgefühl: "Kann er genug Deutsch, sodass die Kommunikation im Betrieb vor allem in Gefahrensituationen gewährleistet ist? Ist er gut genug in Schrift­deutsch und Mathe, sodass er in der Berufs­schule folgen kann?" Das Vertrauen in die Berufsschule Meschede, die Tatsache, dass Mirza in einer deutschsprachigen Pflegefa­milie lebt und sein persönlicher Einsatz ha­ben Ewers überzeugt und nicht enttäuscht.

Mit seinen Vorgesetzten und Kollegen versteht Mirza sich prima, sodass er heute mit Stolz sagt: "Ich habe richtig Glück ge­habt." Egal ob fachliche, sprachliche oder anderweitige Probleme – Mirza fühlte sich nie alleingelassen. „Bei Ewers muss man in jedem Werk einmal gewesen sein. Überall haben mir die Kollegen sehr, sehr geholfen. Ich muss froh sein, dass ich hier gelandet bin.“ Und weiter heißt es: "Herr Ewers und Frau Stehling haben mich immer unter­stützt. Auch bei Schwierigkeiten mit der Ausländerbehörde. Da hat Herr Ewers auch mal für mich angerufen. Oder er hat einen Sprachkurs gefunden. Frau Stehling hat mich dann hingefahren."



"Ohne Ausbildung bleibt man immer nur eine Aushilfe"

"Eine Ausbildung im Handwerk kann ich nur empfehlen", sagt Mirza heute. Ohne Ausbildung sei man immer nur "die Aus­hilfe" – egal, wo man arbeitet. Man habe keine Sicherheit. "Wenn man keinen Gesel­lenbrief hat, fliegt man in schlechten Zeiten als Erster raus." Außerdem sei der Verdienst mit Gesellenbrief besser und es würde Vor­teile in Bezug auf seinen Aufenthaltsstatus bringen.

Hat Mirza es mit viel Fleiß auf die Über­holspur geschafft, möchte er heute auch anderen etwas davon abgeben. So hat er beispielsweise 2020 seine ehemalige Schule als "Ausbildungsbotschafter" besucht. Im Rahmen eines Vortrags hat er der internati­onalen Förderklasse Tipps mit an die Hand gegeben und Mut gemacht. "Das war schon eine gelungene Prä­sentation. Mirza konnte die Leidenschaft für seine Ausbildung erklären und beant­wortete bereits viele Fragen", so Willkom­menslotse Linnenbrink, der mit Mirza das Thema „Ausbildung im Handwerk“ in der Klasse vorgestellt hat.

Mirza: "Wenn ich eine Aufgabe zehn Mal nicht konnte, habe ich mir überlegt: 'Es gibt nichts, was man nicht schafft.' Ich habe mal von meinem Chef gehört: 'Ohne Fleiß gibt es keinen Preis. Es gibt immer einen Weg, den muss man einfach finden.'" Trotz seines Erfolgs ist Stillstand so gar nicht Mirzas Ding. "Jetzt kann ich mich weiterbilden. Techniker, Kaufmann oder Meister." Was es wird, da möchte sich Mirza jetzt noch nicht festlegen...

Die Handwerkskammer gratuliert Mirza Amini herzlich zum Titel "zweiter Landes­sieger". Willkommenslotse Udo Linnen­brink wird auch weiterhin den Betrieb be­gleiten und freut sich über diese Leistung.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützt im Rahmen des Programms "Passgenaue Besetzung" mit dem Projekt der "Willkommenslotsen" Unterneh­men bei der Besetzung von offenen Ausbil­dungs- und Arbeitsstellen mit Flüchtlingen.